William Shakespeare - 154 Sonette

Sonett XCIV

Wer machtbegabt einschränkend sich bescheidet,
Wer zeiget nicht, was reich ihm ist verlieh’n;
Wer felsenfest, wenn Andre leicht er leitet,
Wer der Versuchung trotzt mit starrem Sinn;
Des Himmels Gunst ist lohnend dem geneigt,
Der mit des Himmels Gütern sparsam schaltet;
Als eigner Schönheit Herr er stets sich zeigt,
Da Mancher seinen Reichthum nur verwaltet.
Des Sommers Blum’, dem Sommer ist sie hold,
Mag einsam auch sie leben und verblüh’n;
Doch wenn sie gift’ger Thau befallen sollt’,
Dann ist das ärmste Gras ihr vorzuzieh’n.
Süß kann gar leicht in Bitter übergeh’n,
Unkraut riecht neben welker Lilie schön.

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