William Shakespeare - 154 Sonette

Sonett XCV

Wie anmuthig machst du die Schande nicht,
Die gleich dem Wurm in duftbeseelter Rose
Die Schönheitsknospe deines Namens bricht!
Und birgst die Sünd’ in lieblichem Gekose!
Die Zunge, die von deinem Thun erzählt
Und üpp’ge Deutung deinen Scherzen leihet,
Hat sich zum Tadel nur dein Lob erwählt,
Da schon dein Name jede Schande weihet.
O welche Wohnung haben sich erseh’n
Die Fehler, die in dir sich so vereinen!
Dem Aug’ erscheinet Alles doch als schön,
Weil durch der Schönheit Flor die Flecken scheinen.
Doch trotze, Liebster, nicht auf solches Recht,
Das schärfste Messer wird durch Mißbrauch schlecht.

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