William Shakespeare - 154 Sonette

Sonett XCIX

Das frühe Veilchen ward drum so bedroht: –
Wo hast du, holder Dieb, den Duft genommen,
Als aus des Liebsten Hauch? Das Purpurroth,
Was deine zarte Wange hat bekommen,
Tauchst du in Farben, die sein Blut dir bot,
Um deine Hand schalt ich die Lilienblüthen,
Der Majoran stahl dir dein dunkles Haar,
Die Rosen furchtsam in den Dornen glühten;
Hier rothe Scham und weiße Angst dort war.
Die dritte hat sich Roth und Weiß gestohlen,
Und noch mit deinem Athem sich bedacht;
Doch für den Stolz, den sie zeigt unverhohlen,
Hat rächend ihr ein Wurm den Tod gebracht.
Mehr Blumen sah ich; keine doch ich fand,
Die Duft und Farbe dir nicht hätt’ entwandt.

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